Geschichte
Geschichtliches über Rehetobel
Erste Nennungen von Rehetobler Örtlichkeiten (z.B. Neuschwendi, Klingenbuch) finden sich im ältesten Urbar (Einkünfteverzeichnis) des Bistums Konstanz, geschrieben um 1300. Die Besiedelung der Gegend kann also ins 12. Und 13. Jahrhundert datiert werden. Der Name Rehetobel erscheint erstmals 1463 in der Stiftungsurkunde der Kirche von Trogen, wohin die Bewohner von Rehetobel vor der Gemeindegründung kirchgenössig waren. Mit dem Namen Rechtobel wurde ursprünglich lediglich das Tobel unterhalb dem Rechberg bezeichnet. (Rechtobel = Rehtobel, vgl. Vieh= Vech, = das Tobel mit den vielen Rehen, womit die Bedeutung des Wappens klar zutage tritt.)
Die Leute am Rechtobel (vor der Kirchengründung Trogens mit dessen Bewohnern nach Goldach kirchgenössig) wurden 1461 der neu zu gründenden Pfarrei Trogen zugewiesen.
Die heutige Schreibweise "Rehetobel" findet sich zwar schon 1747 im Landbuch, die mundartliche Aussprache "Rechtobel" konnte sich hingegen bei ansässigen Rechtoblern bis zum heutigen Tag erhalten.
1669 | Bau der ersten Kirche und damit Gründung der Gemeinde Rehetobel durch Loslösung von Trogen |
1737 | Nach Abschluss des sogenannten Landhandels wirtschaftliche Blütezeit. Darum Neubau der Kirche durch Jakob Grubenmann aus Teufen, dem auch "ausser Lands" bekannten Kirchenbauer. |
1796 | Verheerender Dorfbrand am 9. April: Zerstörung des obern Dorfteils östlich der Kirche nach Feuerausbruch in einer Bäckerei. Elf Häuser und neun Nebengebäude wurden zerstört. Die Kirche konnte gerettet werden. |
1797 | Widerstand gegen die Verbreitung von Ideen der Französischen Revolution. Unruhen und Not durch Einquartierung französischer Besatzungstruppen. |
1837 | Gründung der Lesegesllschaft Dorf. In der sogenannten Regenerationszeit (hauptsächlich die dreissiger Jahre des 19. Jahrhunderts) wurden auch andere Gesellschaften (z.B. am Kaien) gegründet mit dem Zweck der Belehrung (Vorlesen) und Unterhaltung. |
1854 | Bau des Armenhauses (Heute "Bürger- und Altersheim"), bedeutender Schritt im sozialen Wirken des Gemeinwesens |
1890 | Zweiter Dorfbrand, 21. Juni, Zerstörung der barocken Grubenmannkirche samt Pfarrhaus und des westlich der Kirche gelegenen Dorfteils Holdern |
1892 | Einweihung der neuen, im neugotischen Stil erbauten Kirche (2. November) |
Wirtschaftliche Entwicklung von Rehetobel
Die topographischen Gegebenheiten bezüglich der Lage von Rehetobel haben dessen wirtschaftliche und demographische Entwicklung wesentlich beeinflusst. Umschlossen von drei schluchtartigen Wassergräben (Moosbach, Goldach, Landgraben) sah sich die Gemeinde bei der verkehrsmässigen Erschliessung stets grossen technischen und beim Verhandeln mit den umliegenden Gemeinden auch politischen Schwierigkeiten gegenüber. Diese bevorzugten nämlich zumeist Lösungen für eine weiterreichende Verbindung im Vergleich mit derjenigen zu einer abseits gelegenen Nachbargemeinde wie Rehetobel . So erklärt es sich, dass Rehetobel den Bau der heute noch benützten Strasse nach St.Gallen mit Ausnahme des Stückes über Gemeindegebiet von Speicher (Speicherschwendi) total auf eigene Kosten zu erstellen hatte. Das Land (heute Kanton) übernahm einzig die steinerne Brücke im Klusgonten (Zweibrücken), verpflichtete dafür die Gemeinde Rehetobel im Gegenzug für den Unterhalt der beiden Holzbrücken in Obarach und Achmühle. Gemäss Strassengesetz von 1851 hatte Rehetobel zusätzlich folgende Strassenstücke zu erstellen, was die Gemeindefinanzen erheblich belastete:
- Kühloch - Grenze Grub 1855/56
- Wald - Grenze Grub 1860/61
- Dorf - Kaien 1863/65 machte die Verlegung des Friedhofs an die heutige Stelle nötig
- Kaien - Oberegg bis Grenze
- Heiden 1866/67
Damit nicht genug, stellten sich weitere, gemeindeinterne Strassenbedürfnisse. Weil durch die neue Strassenführung der Bezrik Lobenschwendi - verstärkt noch durch das tiefe Tobel des Holdernbaches - von der Hauptstrasse weit abgeschnitten worden war, verliehen die Bewohner dieses Bezirks in verschiedenen Kundgaben ihrer Unzufriedenheit Ausdruck, formuliert und eingereicht durch die Lesegesellschaft Lobenschwendi an den Gemeinderat, beginnend 1870. Wiederholte Forderungen dieser Lesegesellschaft, die sich mit unbefriedigenden Teilentgegenkommen seitens der Gemeinde nicht abspeisen lassen wollte, wurden 1876 schliesslich erfüllt durch den Beschluss für den Bau der heutigen Verbindung Lobenschwendi - Habset, mittels eines kurvenreichen, romantischen Strassenstückes entlang der Holdernbach - Schlucht. Fertigstellung 1877/78.Es ist angesichts dieser Verkehrslage verständlich, dass auch Rehetobel vom Eisenbahnfieber ergriffen wurde, dessen Wirkung sich in phantastischen Plänen bis über die Jahrhundertwende hinaus manifestierten. Man beteiligte sich an "grossräumigen" Projekten , auch seitens der Gemeinde finanziell, da man eine Eisenbahnverbindung als "eigentliche Lebensfrage" schlechthin beurteilte. Unter diversen Projekten sei hier die eine Linienführung herausgegriffen: Heiden - St.Gallen über Eggersriet und Martinstobel mit Abzweigung ab Riemen (Grub) nach Rehetobel. Bahnhof im Dorf (auf eine Tunellierung der Fernsichtkuppe wurde verzichtet.) Mit und nach dem Ersten Weltkrieg gerieten diese durch das Eisenbahnfieber hervorgerufenen Gelüste in Vergessenheit, wiewohl der Eisenbahnfonds bis in die fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahhunderts bestehen blieb.
1871 | wurde die regelmässig verkehrende Pferdepost nach St.Gallen eingeführt, einmal täglich, samstags zweimal. Nach mehrmaligen Vorstössen für eine Verbesserung (ab 1904 täglich zwei Kurse) dauerte es bis ins Jahr |
1920 | als am 5. September der erste Postautokurs die Pferdepost ablöste. |
1882 | Einführung des Telegraphen |
Textil-Heimarbeit und –Fabrikation
Kleinbäuerliche Strukturen zur Zeit der Gemeindgründung boten die Voraussetzung für die stark verbreitete Textil-Heimindustrie: Weben von Leinwand, später Baumwolle, zunächst in einfachen Mousseline-Stoffen, später in verfeinerten Blattstichwebereien. Weben und Sticken hatten ihre Hochblüte um die Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg. (1910 hatte Rehetobel mit 2400 Einwohnern seine höchste Bevölkerungszahl).
Die einseitige Ausrichtung auf die Textilindustrie machte die Gemeinde zu allen Zeiten sehr krisenanfällig. Bescheidener Wohlstand konnte oft abrupt durch Armut und Not abgelöst werden. Dies sei an drei Beispielen illustriert:
- Von 1806 bis 1812 bestand für die eidgenössischen Stände die Verpflichtung zu französischen (napoleonischen) Kriegsdiensten. Um der damals herrschenden Not und Armut zu entweichen, liessen sich aus Rehetobel besonders zahlreiche junge Einwohner anwerben.
- Die Hungersnot von 1816/17, verbunden mit Teuerung, wirkte sich in Rehetobel besonders drastisch in Form eines grossen Sterbens in allen Altersschichten der Wohnbevölkerung aus.
- Die zwanziger und dreissiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts galten als schlimme Krisenjahre. Die meisten jungen Leute wanderten in andere Kantone ab, um dort sichere Berufe zu lernen und nicht wieder zurückzukehren. Den Bevölkerungstiefststand erreichte Rehetobel 1941 mit 1550 Einwohnern. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg fehlten darum im Altersstruktur-Baum der Gemeinde Rehetobel die mittleren Jahrgänge, Rehetobel galt als "überaltert".
- Im Dorfbild von Rehetobel zeichnen sich zwei grosse Schübe in der Erstellung von Neubauten und Neuquartieren ab, welche beide als Spiegelbild wirtschaftlicher Entwicklung interpretiert werden können.
- Nach 1950, als sich in der Folgezeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht die befürchtete Verlängerung der Krise, sondern eine schier galoppierende Hochkonjunktur einstellte.Neubauten an der Sägholzstrasse (Dorfbereich) , der Gartenstrasse, am Südhang der Fernsicht bis Sonder (Sonnenbergstrasse).
Gemeindegeschichte Rehetobel
Auf die 300 Jahrfeier der Gemeinde Rehetobel welche am 29./30. August 1969 festlich begangen wurde, ist im Verlag Schläpfer & Co. in Herisau eine Gemeindegeschichte erschienen, die über 400 Seiten stark ist.
Sie hält die wechselvolle Entwicklung des heute so blühenden Gemeinwesens im Vorderland in Wort und Bild fest. Die fünf Verfasser des Werkes, Prof. Dr. Walter Schläpfer, Trogen, die beiden Lehrer Arthur Sturzenegger und Karl Kern, Rehetobel, Dr. Rudolf Schläpfer, Wettingen, sowie Dr. Alfred Schmid in Kreuzlingen, haben sich einem eingehenden Quellenstudium ergeben. Sie haben eine sinnvolle Gliederung des Stoffes vorgenommen und auch Ereignissen von scheinbar geringfügiger Bedeutung ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Dadurch ist nicht nur ein sehr genaues, sonder auch ein in seiner Vollständigkeit imponierendes Gesamtwerk entstanden. Der Stoff ist durch reichliche Illustrationen dokumentarischen und künstlerischen Wertes aufgelockert worden. Neben Stichen findet man historisch bedeutungsvolle Fotos, graphische Darstellungen und eine reizvolle Bildfolge des in Rehetobel lebenden Fotografen Herbert Maeder. Der geschichtliche Teil des Werkes wird ergänzt durch eine gründliche Untersuchung der Siedlungsnahmen von Dr. Alfred Schmid sowie durch eine Reihe dokumentarischer Zeugnisse und Anmerkungen. Diese neue Gemeindegeschichte ist nicht nur für jene Leser interessant, die sich irgendwie mit der Gemeinde Rehetobel verbunden fühlen. Sie bildet einen Teil der appenzellischen Geschichte überhaupt, zumal alle Verfasser die Entwicklung der Gemeinde Rehetobel aus der Sicht grösserer Zusammenhänge geschildert haben. Das auch äusserlich sehr schmucke Werk ist in graphischer Hinsicht durch das Verlegerhaus sehr sorgfältig betreut worden; so bildet es denn in jeder Hinsicht eine wertvolle Bereicherung der appenzellischen Literatur.
Keine der ausserrhodischen Gemeinden kann sich rühmen, eine so umfassende auf neuesten Forschungen basierende Gemeindegeschichte zu besitzen wie Rehetobel. Das Urteil eines kompetenten Fachmannes, Prof. Dr. phil. Stefan Sonderegger von der Universität Zürich über dieses Buch: "Mit der 'Geschichte der Gemeinde Rehetobel 1669 bis 1969' ist meines Erachtens das schönste neuere gemeindegeschichtliche Buch unseres Kantons und eine der schönsten Gemeindegeschichten der Schweiz überhaupt veröffentlicht"
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